Palermo und die Osterprozession in Trapani

6. Tag

 So halbwegs haben wir uns an die lauten Nächte gewöhnt und schlafen einigermaßen gut. Meine Frau mit Ohrstöpseln, ich mit ignorieren, und wir beide mit ausreichend Vino abgefüllt. Gegen 9:30 sind wir beim Frühstück und freuen uns auf die köstlichen, selbst gebackenen Kuchen, die hier morgens angeboten werden.

 Die Hotelbesitzer hier sind wirklich unglaublich nett, man kommt sich vor wie in einer großen Familie.

 Wir haben unser Auto für 10:30 bestellt, denn wir wollen zu der größten und bekanntesten Osterprozession, nach „Trapani“ fahren. Sie beginnt erst um 14:00, aber bis Trapani sind es 100 km und das Städtchen will ja auch besichtigt werden vorher. Pünktlich ist das Auto da, das klappt ja wirklich bestens.

 

Quer durch Palermo, das macht so langsam Spaß! Die Autobahn, die fast bis nach Trapani führt, ist wunderbar frei. Kurz vorher nimmt der Verkehr etwas zu, die Prozession zieht noch andere Besucher an. Jetzt müssen wir erst mal einen Parkplatz finden - wie überall in den alten Städten ist das eine echte Herausforderung. Wir fahren in ein paar Seitenstraßen und finden tatsächlich einen freien Platz, wenn auch ein gutes Stück außerhalb des Zentrums. Wir haben ja noch genügend Zeit und können so gleich Trapani ein bisschen erkunden.

Morgens in Trapani, hier finden wir einen Parkplatz
Morgens in Trapani, hier finden wir einen Parkplatz
Ende März scheint das Meer bereits warm genug
Ende März scheint das Meer bereits warm genug

Zuerst gehen wir zu der Kirche, an der die Prozession beginnt. Die üppig geschmückten, schweren Heiligenfiguren, die während der Prozession getragen werden, stehen hier schon alle zum Anschauen. Überall sind kostümierte Einheimische zu sehen, die an der Prozession teilnehmen werden. Es hat einen gewissen Karnevalcharakter, und die Stimmung ist vorherrschend fröhlich und nicht Karfreitagsmässig getragen.

 

 Wir haben noch Zeit, und schlendern zum Hafen, wo gar nichts mehr los ist. Die ganze Stadt scheint auf dem Weg zur Prozession zu sein. Also, suchen wir uns jetzt auch einen Beobachtungsplatz, nahe bei der besagten Kirche.

Dort, wo sich die Leute aufstellen, herrscht totales Chaos, alle reden auf alle ein, jeder/jede hat etwas zu sagen. Ein Wunder, dass sich dann doch alles irgendwie sortiert. Natürlich dauert es etwas länger, bis wir endlich die erste Gruppe sehen. Mit ernstem Gesicht wird ein Kreuz voraus getragen und dahinter schreiten die Würdenträger der Kirche, nun mit angemessenem traurig-getragenem Gesichtsausdruck. Die Organisation des Zuges ist immer gleich: Zuerst kommt eine kleine Truppe meistens junger Leute und Kinder, die den Namen der jeweiligen Gruppe auf einem Tuch oder einer Fahne tragen, z.B. die Fischer oder die Hafenarbeiter, die Metallurgen etc,etc. Danach kommen die Honoratioren dieser Gruppe, von denen uns einige sehr an "Paten" erinnern, so stellen wir uns Mafiabosse vor. Danach folgt eine der unglaublichen Heiligenfiguren , die von an die 20 Männern getragen wird, zehn vorne und zehn hinten. Einer hat eine Holzklapper und gibt immer das Signal zum Aufnehmen bzw. Absetzen. An den Gesichtern der Männer kann man ablesen, wie schwer die Figur ist. Meistens geht es nur 5-10m vorwärts in kleinen, gleichmäßigen Trippelschritten, dann  wird die Figur wieder abgesetzt. Nach der Figur kommt die Musikgruppe mit dem Dirigenten. Eine ganz spezielle Musik wird gespielt, und alle - Musikanten und Figurenträger - wiegen sich zu der Musik von rechts nach links beim Voranschreiten. Es ist fast schon hypnotisierend dieser seltsamen Musik zu lauschen und gleichzeitig den wiegenden, langsamen Gang zu beobachten. Die Stimmung hat sich jetzt auch geändert, alle sind ernst. Dazwischen laufen oft ganz kleine Kinder, die Mädchen in weißen Kleidern und mit Engelflügeln, die kleinen Jungen in schwarzen Anzügen. Manche wollen nicht mehr weiterlaufen und Mutter oder Vater schieben ein bisschen an. Eine ganz kleine, vielleicht dreijährige Maus, hatte die Faxen dicke und wollte das Kissen mit dem Kreuz, das sie getragen hat, entschieden loswerden; soll Mama sich doch damit rumärgern. Recht hat sie! Auf jeden Fall scheint das Mitwirken in der Prozession eine große Ehre zu sein. Die meisten Teilnehmer tragen ihr Kostüm stolz und laufen voller Inbrunst. Die ganze Prozession dauert 24 Stunden.

Uns tun schon nach knapp drei Stunden Rücken und Füße weh. Wir entziehen uns dem Bann der Prozession und entern ganz unchristlich in einer Seitengasse eine kleine Bar, wo wir sitzen und eine Kleinigkeit essen können. Die durchdringende Musik hören wir auch hier. Genug - wir gehen langsam zurück zum Auto und machen uns wieder auf den Weg nach Palermo.

 

 

Gegen 18:30 sind wir zurück, geben unser Auto ab und machen eine kleine Siesta im Zimmer. Ein sehr beeindruckendes Erlebnis war diese Prozession, und die Musik haben wir noch immer im Ohr.

Gegen 20:00 macht sich wieder der Hunger bemerkbar und wir gehen in das Restaurant "Il Mirto e la Rosa",  das uns die Leute hier empfohlen haben. Es ist ganz ok, aber viel mehr Touristen sind hier. Es schmeckt zwar, ist aber nicht zu vergleichen mit dem Ristorante a Cuccagna vom Vorabend. Nach dem Bezahlen erwartet uns eine Überraschung.

Wir hören auf der Straße die gleiche Musik wie mittags. Auch hier gibt es eine kleine Prozession. Es werden zwar nur zwei Figuren durch die Straße getragen, aber sie sind offenbar noch schwerer und rund 30 bis 40 Träger sind nötig. Eine Gruppe junger Frauen zieht singend voraus, die sich im gleichen hypnotisierenden Rhythmus wiegen. Die Träger der Heiligenfiguren stellen etwa alle 20 bis 30 Meter ihre Last ab und knien auf der Straße nieder zum Beten. Man kann sich diesem Geschehen kaum entziehen, da es nachts irgendwie noch beeindruckender ist. Der kleine Zug führt direkt an unserem Hotel vorbei, und wir können im Zimmer noch lange die klagende Musik hören. Wir nehmen sie mit in unsere Träume...